Ein Träumer auf dem Kirchensockel und der Yogameister über ihm

Veröffentlicht am 25. November 2024 um 13:30

Ein Mauerblümchen und ich erdulden die unerträgliche Leichtigkeit des Seins 

 

Foix, Ariege. 28.10.2024

Die Sonne entfaltet Wohlgefallen an Allem. Den klirrenden Gläsern über den Plastiktischen im Parkverbot. Dem dumpfen Rollen von Gummi auf Kopfsteinpflaster. Dem Odeur von Abgasen, Zwiebeln und Krokant, Parfüm und Kanalisation. Fabulierenden Gesprächsfetzen, französisch unerkannt, durchwürzt mit Lachern, weltweit wohlvertraut. Tauben picken und glotzen mit Kopfturbulenzen auf den Fenstersimsen sich aneinander schmiegender Häuser, außen starr und Stein, innen durchaus durchblutet und beseelt.

Ein Hund pisst gegen die Laterne, einer Frau fallen drei Äpfel aus der Tasche. All das belächelt die Sonne, als wäre dieses Treiben hier unten null und nichtig, dabei nimmt sich doch ein jedes Detail für unabdingbar wichtig. So strahlt das gelbe Grinsen auch über mich, der ich verzottelt und verträumt auf dem Sockel der Kirche sitze, diesem ockersandfarbenen Platzhirsch unter all den Gebäuden. Ein Glockenschlag, dann zwei. Bei drei höre ich auf zu zählen.

Neben mir sitzt ein Mauerblümchen, sprießt konkurrenzlos aus der Fuge. Seltenschönes Randnischendasein. Wir fühlen uns verbunden, blühen zufrieden vor uns hin. Im Augenwinkel die Betonkübeln, in denen fettgrün und plastikrot die Exoten ihre kümmerlichen Wurzeln schlagen. Im Gefängnis, abgeschottet von der lebendigen Erde, umhegt von und ausgeliefert dem menschlichen Gutdünken. Reingesetzt und rausgerissen. Einfach so. Doch die Sonne und ich erfreuen uns an dem Mauerblümchen, so verletzlich und so leicht, dabie stark genug um im Gestein zu wurzeln. Ein Freigeist aus purer Zugefälligkeit. Aus der guten Laune vom lieben Gott vielleicht, sollte der hier wirklich Zuhause sein.

Das Blümchen schaut hinauf. Ganz da oben, vorm Schäfchenblau, schweigen die Wälder. Stoisch abwartend, seiend des bloßen Seins wegen. Was ist schon wirklich wichtig?

Das Kehrfahrzeug fegt durch die Szenerie. Wühlt den dreckig süßen Duft auf. Dröhnend verschluckt es den Schwarm der Geräusche, wie ein Haifisch, der durch die Bucht zieht. Nach und nach spuckt er all die Fischlein wieder aus, ganz zuletzt das wunde Bellen eines ungeliebten Hinterhofhundes. Dann ist er verschwunden und es wuseln wieder die Wortfetzen.

Wohl tut die Sonne der Haut und allem was darunter ist. Wie Geheimagenten ducken sich Passanten unter ihren Sonnenbrillen. Der Mann mit dem Bauch im Cafe sogar hinter einer Zeitung, als interessiere er sich für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Ich könnte schwören, dass er die Welt durch zwei Löcher im Papier betrachtet.

Wie dem auch sei: Aus den offenen Fenstern des Dharma-Studios gegenüber der Kirche kreischt eine Kreissäge. Es riecht nach Tapetenkleister. Vorübergehend geschlossen steht an seine Tür geschrieben. Doch im Himmel droben, da leuchtet ein aufgestiegener Yoga- Meister. Und ich sitz drunter und guck hoch zu ihm. Verblitzt, geblendet und doch mit Farbe erfüllt wie ein Bilderbuch.

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