Ein Mauerblümchen und ich erdulden die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
Foix, Ariege. 28.10.2024
Die Sonne entfaltet Wohlgefallen an Allem. Den klirrenden Gläsern über den Plastiktischen im Parkverbot. Dem dumpfen Rollen von Gummi auf Kopfsteinpflaster. Dem Odeur von Abgasen, Zwiebeln und Krokant, Parfüm und Kanalisation. Fabulierenden Gesprächsfetzen, französisch unerkannt, durchwürzt mit Lachern, weltweit wohlvertraut. Tauben picken und glotzen mit Kopfturbulenzen auf den Fenstersimsen sich aneinander schmiegender Häuser, außen starr und Stein, innen durchaus durchblutet und beseelt.
Ein Hund pisst gegen die Laterne, einer Frau fallen drei Äpfel aus der Tasche. All das belächelt die Sonne, als wäre es null und nichtig, dabei nimmt sich doch ein jedes Detail für unabdingbar wichtig. So strahlt ihr Grinsen auch über mich, der ich verzottelt und verträumt auf dem Sockel der Kirche sitze, dem ockersandfarbenen Platzhirsch unter den Gebäuden. Ein Glockenschlag, dann zwei. Bei drei höre ich auf zu zählen.
Neben mir sitzt ein Mauerblümchen, sprießt konkurrenzlos aus der Fuge. Seltenschönes Randnischendasein. Wir fühlen uns verbunden, blühen kurz auf über den Betonkübeln. Dort haben fettgrün und plastikrot haben Exoten ihre Wurzeln im Gefängnis geschlagen. Abgeschottet von der lebendigen Erde, umhegt von und ausgeliefert dem menschlichen Gutdünken. Mir scheint, als sehe niemand außer der Sonne und mir das Mauerblümchen, so verletzlich und so leicht. Stark genug um im Gestein zu wurzeln. Ein Freigeist aus purer Zugefälligkeit. Aus der guten Laune vom lieben Gott vielleicht, sollte der hier wirklich Zuhause sein. Das Blümchen schaut hinauf. Ganz da oben, vorm Schäfchenblau, schweigen die Wälder. Stoisch abwartend, Seiend des bloßen Seins wegen, sehen sie die Menschen kommen und gehen. Was ist schon wirklich wichtig?
Das Kehrfahrzeug fegt durch die Szenerie. Wühlt den süßen und dreckigen Duft auf. Dröhnend verschluckt es den Schwarm von Geräuschen wie ein Haifisch, der über den Platz zieht. Dann spuckt er nach und nach all die Fischlein wieder aus, ganz zuletzt das wunde Bellen eines ungesehenen Hinterhofhundes. Dann ist er verschwunden und es wuseln wieder die Wortfetzen.
Wohl tut die Sonne der Haut und allem was darunter ist. Wie Geheimagenten verstecken sich Passanten unter Sonnenbrillen. Der Mann mit dem Bauch im Cafe sogar hinter einer Zeitung, als interessiere er sich für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Ich könnte schwören, dass er die Welt durch zwei Löcher im Papier betrachtet.
Wie dem auch sei: Aus den offenen Fenstern des Dharma-Studios gegenüber der Kirche kreischt eine Kreissäge. Es riecht nach Tapetenkleister. Vorübergehend geschlossen. Doch im Himmel leuchtet ein aufgestiegener Yoga- Meister. Und ich sitz drunter und guck hoch.

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