Ein Heiliger hat einen Vogel

Veröffentlicht am 26. November 2024 um 12:38

Natürlicherweise hat muss jeder echte Heilige einen Vogel haben, denn wie sollte er sonst wissen, was im Himmel so los ist?

Und während alle anderen Schaulustigen ihre digitalen Augen auf die höchsten Zinnen der Kathedrale richten, himmele ich fasziniert die Taube an, die auf dem Kopf des Propheten sitzt. Diese gewiefte Ratte der Lüfte, die ihr Indianerleben in den Felswänden aufgegeben hat, und nun als Freibeuter mitten im Menschenhaufen wohnt. Sie tanzt den Ikonen auf dem Kopf herum und scheißt auf Schilder, Mauern und glatt geleckten Beton. Dafür ist sie vor keinem Luftgewehr sicher. Aber ist es nicht ihr gutes Recht, das zu tun, was eine Taube tut muss? Der Heilige mit den auffälligen zwei Hörnchen auf dem Schädel blickt dementsprechend stolz und würdig drein. Lieber die Taube auf dem Kopf als die Katze auf dem Dach, oder so ähnlich heißt es doch...

Ich denke an Franz von Assisi. 

"Ihr lieben Brüder Vöglein, gar sehr müsst ihr euren Schöpfer loben, der euch mit Federn bekleidet und die Flügel zum Fliegen gegeben hat; die klare Luft wies er euch zu und regiert euch, ohne daß ihr euch zu Sorgen braucht." 

Und sie regten die Hälse und hoben die Flügelchen und öffneten staunend die Schnäbel, während er selbst aber in wunderbarer Glut des Geistes mitten durch sie Hindurchschritt und sie mit seinem Gewande berührte, ohne das sie davon flogen.

Ja, der Franzerl war ein echter Naturbursche. Und wie hat der andere Naturbursche, jener der in der WÜste fastete und über den See spazierte, noch gleich gesagt:

"Sehet die Vögel des Himmels! Sie säen und ernten nicht und der Herr ernährt sie doch!"

Und das konnte er nur behaupten, weil er selber einen Vogel hatte. Ja weil er selber einer war: Ein Ein Freigeist. Ein Wandervogel. Ja und am Ende ein Galgenvogel. Aber egal. Er fuhr hinauf zum Himmel, freilich nicht mit der Rolltreppe, sondern auf den Schwingen seiner Seele. 

Ein schicker Senior schaut mich fragend an, wie ich da selber mit geschürzten Lippen zwitschernd da stehe. Ich deutete lächelnd und nickend auf den Heiligen, der einen Vogel hat. Er sieht nur meinen Finger, doch nur ein Narr schaut auf den Finger, wenn er in den Himmel weist. Vielleicht denkt er das ich selber einen Vogel habe. Und oh ja! Ich habe sogar gleich mehrere. Einen ganzen Schwarm und manchmal schwärmt es mir das mir beinahe schwindelig wird. Aber wer sonst ist den dem Himmel näher als die Vögel? Kein Mensch kann es sein, wenn er auch in noch so ausgeklügelten Maschinen sitzt. Allein das trennt ihn von der Berührung des Himmels. Nein, es sind nur die Kinder und die Verrückten/ Heiligen. Alle die einen Vogel innewohnend haben.

Deshalb sagte Jesus doch so schön:

"Wie die Kinder müsst ihr werden, um ins Himmelreich zu kommen."

Oder meine Mutter: 

"Selig sind die Bekloppten, denn sie brauchen keinen Hammer."

Und plötzlich ein Rauschen und Zwitschern. In mir und über mir.

Ein riesiger Schwarm Starre fliegt über die Kathedrale und den Plaza. Kaum einem Passanten ist dies wert, seinen Kopf aus dem Tunnel zu erheben, außer denn er erhält einen Segen von oben in Form eines Vogelschisses. Allemal ausreichend, um für kurz den Horizont zu sprengen.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.