Der Döner ist der Tod des Schweinebratens

Veröffentlicht am 4. Oktober 2025 um 13:21

Landau in der Pfalz, Cafe Cosmo, 03.10.2025


Ein Farnblatt, braunweiß in den Milchschaum graviert. Ich trinke Cappuccino doch es riecht nach Döner. Der verlockende Pesthauch eines pseudo-osmanischen Kunstwortes. Ein fleischgestopftes Brötchen, dass neben der Pizza das deutsche Nationalgerichte geworden ist. Döner, Pizza, Pizza Döner, dazwischen Nagelstudios und darüber der alte Mann mit den weißen Haaren und dem Altemännerbart, auf seinem Balkon, an den sich der Efeu krallt, pflegeleicht im Balkonkasten, sich herabschälend an der Fassade, sich hinein fressend wie die Gebrechen in den Leib des Alten, der noch immer so pflegeleicht wie möglich sein möchte. Aufrecht und gerade, ein zunehmend verkrümmter Bürger, der es zu was gebracht hat, zu einer Wohnung im dritten Stock, darüber nichts als Stromleitung und schlechtes Wetter. Einer der hinunterrotzt auf die viel befahrene Straße, freilich nur im Geiste, auf die Straße die nach einem berühmten Geist benannt ist, den heute keine mehr kennt, genausowenig wie diesen alten Sack da auf seinem Efeubalkon. Und er weiß es, er weiß es ganz genau, dass ist ja das tragische an seiner Figur, dass ihn nicht einfach nur das drollige Großväterchen sein lässt, dass seinen Lebensabend genießt, sondern bloß einen Rentner, der sein Leben verschließen hat genauso wie es ihn. Und so blickt er in den Abgrund seines Daseins, kurz vorm Sturz, sieht ein her und hin und hin und her, oft viel zu schnell und ungesehen, streng nach Regeln getaktet, wie die Autos dort unten. Zack- Zack. Wusch- Wusch und nichts das bleibt wie es nie war, doch hätte sein sollen. Und all das durchdrungen von dem infernalisch- triumphierenden Duft-Gestank des Döners, des Invasoren, des fleischgewordenen Neophyten, der die heimischen Arten an den Rand des Aussterbens verdrängt hat. Wer hat denn schon noch einen Sauerbraten gesehen? Schön mit Knödel und Rotkraut. Eine Leber mit Zwiebeln und einem matschig gekochten Apfel. Ja selbst der gewöhnliche Schweinebraten droht uns kaum bemerkt zu entschwinden.
Und dafür soll er gelebt haben?
Dieser alte Einfaltspinsel, ja selbst das nicht mehr. Vergessene Wörter, sterbende Metaphern, wie plattgefahrene Tauben auf dem Asphalt, Luftratten dem Erdboden gleich gemacht.
Noch drei Schluck Cappuccino, dann endet dieses Trauerspiel. Dann verschwindet dieser Bleistift in der Tasche und schweigt und der brave, alte Sack verschwindet von der Brüstung zurück in seine Kiste und keiner wird wissen ob tot oder lebendig ist. Eine Schrödinger Katze, wie wir alle dann und wann. Aber wen juckt das schon? Nichts als ein Hauch von Döner wird über unseren Spuren wehen. Schön mit Schafskäse. Zum hier essen oder zum mitnehmen. Es ist egal.
Meine Tasse ist leer, ich stehe auf und vergesse diesen Moment.

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