Landau, 01.12.2025
Eine Schar Luftpiraten fliegt Richtung Mond und das ist ein verdammt guter Moment, um eine Geschichte zu beginnen. Ihr Krächzen hallt wie höhnisches Palaver über die da unten, zu denen auch ich gehöre. Irgendwie und doch nie ganz. Ich stehe am Rande, ein Schritt breit neben dem Feldweg. Hab zwar nasse Füße, dafür aber warme Gedanken, wenn ich an die Sonne Andalusiens denke. Die Kraniche sind längst weg, ein Trupp Ringeltauben ist vorgestern los, doch die Krähen werden hier bleiben, um weiter hinter allen Zäunen ihre Krümel vom Kuchen zu klauen. Mich persönlich widert dieser Kuchen nur allzu oft an. Vielleicht hab ich mich ja auch überfressen an ihm. Hab ja lange genug als Made im Speckgürtel gelebt. Made in Germany. Wurde vollgestopft mit allem, was die Regale hergeben und indoktriniert, dass man doch nie genug haben kann, wenn man nicht genug haben will.
So schlendere ich über den Weihnachtsmarkt. Es riecht nach Glühwein und Bratwurst. Auch ich halte mich an so einer Zuckerplörre fest und tue das, was die anderen Ameisen auch tun. Mäste dabei mein Hirn mit tausend mal tausend Totschlagargumenten, Geld auszugeben für Dinge, die kein Mensch braucht und prinzipiell jeder schon doppelt und dreifach hat. Stumme Zeugen dieses mit Schmelzkäse überbackenen Menschenauflaufes, sind die ungezählten Tannenbäumchen, die mit Kabelbindern an die Bauzäune gefesselt das Ganze mit ansehen müssen. In ihrem längst verlorenen Todeskampf begriffen, stellt der ein oder andere von ihnen noch fest, dass diese sie marternden Geschöpfe im Grunde doch genauso entwurzelt sind wie sie selbst. Ein Trost ist es nicht. Das Karussell dreht sich im Kreis, es kann ja nicht anders und die Leute ebenso. Es wird getan, was getan werden muss und da wären wir wieder bei dem Glühwein und der Bratwurst, wobei mir allein von Ersterem in Kombination mit dieser Gesichterüberflutung schlecht wird.
Allein das kleine Bimmelbähnchen, das durch den Plastikweihnachtswald tuckert, versprüht noch einen Hauch Romantik, fuhr ich doch selbst als Kind so freudig durch dieses Trugbild einer lieben, guten Weihnachtswelt. Und da liegt ja auch der kleine Jesus Made in Hong Kong für 24,90 in seiner Grippe, die im Preis nicht mit inbegriffen ist. Ein Krähenschiss darauf. Von dort oben betrachtet macht das hier unten zwar keinen Sinn, dafür aber ketchupverschmierte Brötchenbrocken, die hier und da zu Boden gleiten. Den Luftpiraten reicht das, den Rest sitzen sie einfach aus. Sie brauchen den Weihnachtsmarkt, diese sentimentale Krönung im Homo Normalverbraucheriensis Jahreshamsterrad, nicht, um zu überleben. Sie fressen auch Körner, Würmer und Leichen jeglicher Art, selbst wenn sie nicht gebraten sind.
Ach ja, darf man denn so denken, ohne zu denken, man dächte zu negativ? Ist es denn nicht auch schön, wenn sich die Menschen hinter den Weihnachtsmarkt-Amokfahrer-Schutzvorrichtungen versammeln, um mal eine Bratwurst zu schnabulieren? Vielleicht nächstes Jahr sogar vegan? Ja, schön wärs, wenn es mal so wär, wie es mal war. Ein Weihnachtsbaum für alle, man hat Zeit, ist im Rhythmus des Jahres langsamer geworden, kehrt ein, in die innere Stube, hält inne, fühlt nach, was wirklich wichtig ist, um sich dann in den geweihten Nächten tatsächlich ein stückweit in die Traumzeit hineinzubegeben, um vielleicht eine Vision für das neue Jahr zu finden.
Aber das Gegenteil ist der Fall. Weihnachten steht auf allen Etiketten, doch drunter ist Konsumdruck. Hektik. Endspurt. Aber eigentlich ist es ein Neverending-Endspurt. Der Zauber der Weihnacht, sei es die christliche Version oder die heidnische, oder eben der Mischmasch, mit dem wir groß geworden sind, ist längst okkupiert vom Zeitgeist, nennen wir ihn mal Mister Ich-hab-nie-genug. Unterm Strichcode ist stets sein Konterfei versteckt. Mister Ich-hab-nie-genug ist angetreten, um die Welt aufzufressen. Von Innen nach Außen. Erst höhlt er den Menschen aus, bis der ein Loch in sich verspürt, das er fortan rastlos zu stopfen versucht. So bringt Mister Ich-hab-nie-genug ihn dazu, die Welt drumherum zu Bratwurst zu machen. Beweise für diese These zu finden bleibt jedem selbst überlassen. Schwer ist es ja nicht. Die Erde verpackt in goldener Folie. Alle Jahre wieder. Ein Ferrero Rocher, man gönnt sich ja sonst nichts und zack, rein ins Mäulchen, Zähneputzen nicht vergessen.
Und nun? Wohin mit all dem Unsinn? In einen Kasten mit vier Rädern und 75 unsichtbaren Pferdlein, die ihm angeblich die Kraft verleihen, diesen Eulenlauscher davonzutragen. Dort, wo Mister Ich -hab-nie-genug ihn nicht finden wird. Aber wo kann das denn sein, in dieser Zeit in dieser Welt? Vielleicht ist sein Platz ja zwischen allen Stühlen, im warmen Treibsand, auf dem diese ganze Menschsein letzten Endes aufgebaut ist. Und dort treibt er sich rum mit überdurchschnittlich viel Erdkontakt, und guckt und lauscht und wundert sich und schreibt es auf und liest es vor. Warum? Weil ihm nichts Besseres einfällt, seinen Senf zu dieser Bratwurst-Story dazuzugeben. Jeder was er hat und wie er kann. Für was es gut sein mag, das werden die Krähen wissen, wenn es soweit ist.
Diese Luftpiraten. Man sagt das Glück liegt auf der Straße und für die Krähen kann dies durchaus eine überfahrene Katze bedeuten. Also gehört wohl alles in allem alles für immer dem Auge des Betrachters. Und damit betrachte ich dies als einen würdigen Beginn meiner Reise nach Überall und Nirgends.
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