Wie wär es denn mit Glück?

Veröffentlicht am 10. Dezember 2025 um 11:13

Le Mas d’Azil, Ariege, 9.Dezember 2025

 

Ein neues Buch also soll's werden. Ein neues Buch, dessen Wortspur sich vielleicht mal wieder in sich selbst verliert, irgendwo einfach aufhört, ohne je geendet zu haben. Das bedeutet, eine Suche ohne ein Finden, eine Odyssee ohne einen Hafen, man könnte auch sagen Schiffbruch auf hoher See. Trotzdem kein Grund zuhause zu bleiben. Los geht es gut gerüstet. Ein Schneckenhaus vollgepackt mit guten Sachen, ein Riesenstapel weißes Papier, dazu ein entsprechendes Sammelsurium aus geklauten Kugelschreibern. Schäfchengeläut, ein freistehendes Mäuerchen aus bemoosten Steinen, ein Typ mit philosophischen Gesichtsausdruck darauf, anbei sein Hund, dazu Frühlingssonne im Dezember. Schneeverwegene Berge am Horizont, dahinter mal wieder die weite Welt in Form von Spanien, dem Meer und alles was danach kommt.


Ich schreibe von irgendwo nach nirgendwo, um mich selbst zwischen den Zeilen zu verdichten. Mein windiges Wesen, mein Leichtmatrosenstein. Fliegenfänger, Traumtänzer, Luftikus mit Erde am Stiefel, allemal besser als Dreck am Stecken. Jedenfalls keiner von den Schafen. Lieber der Wolf, wenn auch vegetarisch. Kein Bock. Kein Bock auf das Gebrüll des Schäfers. Ich will kommen und gehen wann ich will. Ich will zusammen und allein sein wann ich will. Nicht blöken, nur weil die andern blöken. Nicht jubeln, nur weil die andern jubeln. Nicht rumheulen, nur weil die andern rumheulen. Einfach anders sein als die andern und erst wenn die andern auch anders sein wollen, dann werde ich nicht mehr anders sein wollen. So acht jeder sein Ding. Darf Schaf sein, egal ob weiß oder schwarz, Hauptsache Herdenvieh, darf Wolf sein, mit oder ohne Rudel, Hauptsache nicht den Schwanz einklemmen. Das tut nämlich weh. Seltsames So sein. Von weitem ist das Schafsgebimmel ja schön, aber umso näher es kommt, umso mehr wächst die Koppwehgefahr.


Die Sonne ist super. Strahlt und scheint wie kein Zweiter, ist über allem erhaben und hält dabei das Maul. Wertet nichts und niemanden, glüht einfach cool vor sich hin. Wenn die mal nicht erleuchtet ist, wer dann? Toll auch, dass ihr grün so gut gefällt. Man stelle sich vor die Bäume und die Wiesen wären rot oder knallegelb. Die Sonne hat Geschmack.


Eben war ich an einem Dolmen. Der steht da wie bestellt und nicht abgeholt in der Landschaft herum, ganz verwaist. Dabei war das mal viel Arbeit! Ich bekomm da immer schnell ein ganz mysteriöses Gefühl, werde ergriffen von einem wohligen Schauer, wie sonst nur unter der warmen Dusche. War das mal ein Grab? Oder ein Opferplatz? Ich nutze es als eine Telefonzelle mit Flatrate zum großen Geist. Zu einem, der sich auskennt mit der Welt und so nutzte ich die Gunst der Stunde und rief ihn einfach mal wieder an. Er ging nicht persönlich ran, war nur sein AB, der aber garantiert abgehört wird. So bat ich um Führung auf dieser Reise, um einen roten Faden, um Connection mit dem göttlichen Navigationssystem. Da aber sprach die alte Eiche hinter mir: „Kannste gewiss haben. Aber erstmal musst du deine Standort freigeben. Das macht von denen da oben keiner für dich.“
Hab ich überlegt und hab ich gedacht: „Stimmt. Aber wo ist noch mal der Button?“
Fiel mir gleich wieder ein. In der Brust irgendwo. Also klopfte ich dreimal darauf, meistens springt er dann an. Muss aber immer wieder neu aktiviert werden, sonst geht er zwischendurch aus und zack, hat man sich wieder verfahren. Kann den Schäfchen nicht passieren. Die haben ihren Aufseher, der ohne einmal aufzustehen sagt, wo es lang geht. Gut, habe also geklopft und auch gleich was gemerkt. Sonst süße ich ja jetzt nicht hier auf der Moosmauer. Immerhin ein Fortschritt, doch in welche Richtung?
„Süden! Süden. Süden,“ ruft da mein innerer Schlaumeier von zwischen den Ohren. Dieser Streber Arsch. Klugscheisser. Dummschwätzer. „Süden kann ja überall und nirgends sein. Je nachdem wo man steht. Das hat viel zu bedeuten.“ Der Eichbaum ist mir gefolgt. Und jetzt? „Das Navi hilft dir auch mit Standartbutton nicht weiter, wenn du kein Ziel eingibst.“ Gevatter Eichbaum hat schon wieder Recht. Vielleicht ist es ja auch sein Bruder. Hat ja viele Geschwister, so ein Baum. Und alle stehen sie von Anfang an bis zum Ende am rechten Fleck. Brauchen gar kein Navi, wissen alle von vornerein Bescheid. Erstaunlich.


Kurzer Blick aufs Blatt Papier. Sauklaue ist wieder unterwegs. In Schönschrift begonnen, dann ist mir mal wieder der Stift durchgegangen, viel zu schnell, um noch auf Linie zu sein. Wie gewohnt, nix neues. Sauklaue eben. Nun bleibt mir in all dem Gebimmel und am vermeintlichen Ende dieses Schmierblattes also noch immer die große Frage nach der Zielerfassung.
„Und bitte nicht so allgemeinen Bullshit wie: Ich möchte den Weg des Herzens gehen, oder ich möchte näher zu mir selber kommen oder ich will meiner Bestimmung folgen. Das ist so, wie wenn man an den goldenen Strand von La Gomera möchte und Sand eingibt. Kann man auch auf dem Spielplatz oder in der Kiesgrube rauskommen. Oder wenn man in den Karpaten Urwald möchte und Holz eingibt. Kann man auch im Baumarkt landen, oder im Schrank oder sich schmerzhaft des eigenen Brettes vorm Kopp gewahr werden. Also bitte: Konkretione!“


Glück wär so ne Sache. Ist aber auch ein Klischee. Das beliebteste aller Klischees sogar. Viel gerühmt. Oft kopiert doch nie erreicht. Naja, zumindest lässt es sich mal nicht festhalten, darüber scheinen sich die meisten Schäfchen einig zu sein. Bleibt also die Frage, ob dieser noch tausendfach allgemeinere Suchbegriff als Sand und Holz taugen könnte, um mich wahrlich überraschen zu lassen.
„Alter hör bloß auf. Dann kannst du gleich Überall und Nirgends eintippen.“
Danke Eichbaum. Genauso mach ich das.


 Über all dem ist mein Fuß eingeschlafen. Faule Sau! Ich werde ihn schütteln und dann geht es erstmal nach Schneckenhausen. Zieleingabe wird vertagt. Trotzdem gut jetzt, zu wissen wo alles ist. Navigationssystem, Standortbutton und magisches Feld, wo der Suchbegriff reinkommt. Von da an heißt es nur noch Vertrauen und Gas geben.
Die Schäfchen gehen jetzt auch heim. Wie der Wolf. Der nimmt aber natürlich die andere Richtung. Ach ja, vielleicht habe ich gerade ja Glück gehabt.

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